search

Innenraumluft: Holzprodukte lassen keine Gesundheitsgefährdung erkennen

16.11.2022rss_feed

Innenraumluft: Holzprodukte lassen keine Gesundheitsgefährdung erkennen

Wie berichtet, sind die in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) festgelegten Anforderungen an VOC-Emissionen aus OSB und Spanplatten für unzulässig erklärt worden. Das heißt, die Anforderungen an das Produkt sind weg, nicht aber die Anforderungen an das Gebäude – eine Übersicht:


Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg im Dezember 2020, ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ebenfalls der Argumentation der Kläger gefolgt: Die in den Bayerischen Technischen Baubestimmungen (BayTB) vom 26. Februar 2021 geregelten Grenzwerte für VOC-Emissionen aus Holzwerkstoffen verletzen Grundrechte der Hersteller sind unwirksam (Urteil vom 24.11.2021, Az. 2 N 19.1938).

Nach den beiden Urteilen mit Signalwirkung werden die sog. VOC-Anforderungen für Span- und OSB-Platten nunmehr komplett und bundesweit durch die Bauministerkonferenz außer Kraft gesetzt (offizielle Bekanntgabe steht noch aus). Diese Entscheidung ist auch für andere Produktgruppen relevant, weil die VOC-Vorgaben für Span- und Faserplatten nur als weiterer Schritt zu einer VOC-Reglementierung aller Holzprodukte zu sehen ist. Dies wurde nun – zumindest in Deutschland – aufgehalten.

 

Verunsicherte Bauherren suchen Informationen zur Wohngesundheit

Was ist nun dran an der Besorgnis, dass Holzprodukte – allen voran OSB-Platten aus Kiefer gesundheitsbedenklich sind?

Die FNR (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe) hat 2021 eine Broschüre veröffentlicht und stellt fest: Emissionen aus Holzprodukten lassen keine Gesundheitsgefährdung erkennen! In die Publikation Wohnen und Leben mit Holz flossen neue Forschungsergebnisse ein, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt hat.

Die 44-seitige Broschüre informiert rund um die durch Baumaterialien aus Holz verursachten Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC). Beleuchtet werden unter anderem Anforderungen an Bauprodukte sowie die aktuelle Rechtslage, etwa zu bauvertraglichen Pflichten, zur VOC-Baustoff- und zur Innenraumluft-Bewertung.

Daneben fasst die Publikation die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Förderprojekten des BMEL zur Reduzierung und Vermeidung von Emissionen aus Holz und Holzprodukten zusammen. Zwischen 2015 und 2019 hatte das BMEL zwölf Forschungsvorhaben mit insgesamt knapp 3,6 Millionen Euro gefördert.

 

Toxikologische Untersuchungen liefern keine Anhaltspunkte für Gefährdung des Menschen

Eine gesundheitliche Bewertung der Emissionen aus Holz und Holzprodukten in Innenräumen wurde durch einen Forschungsverbund unter Federführung des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführt. Das Klinikum nahm experimentelle toxikologische Untersuchungen an Zellkulturen aus menschlicher Lunge, Augen, Haut und sensorischen Nervenfasern vor, ergänzt von chemisch-analytischen Untersuchungen des Thünen-Instituts für Holzforschung. Die Wirkung der Emissionen auf sensorische Nervenfasern untersuchte das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund; das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig und das Helmholtz-Zentrum München forschten zu allergischen und entzündlichen Effekten im Tiermodell.

Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass es bis dato keine überzeugenden Hinweise auf klinisch relevante Effekte nach Exposition gegenüber innenraumüblichen Konzentrationen an Holzemissionen gibt. Eine Gefährdung des Menschen durch Freisetzung von Emissionen aus Holz und Holzprodukten in die Raumluft bei praxisüblicher und sachgerechter Verbauung von Hölzern und Holzprodukten sei nicht zu erkennen.


Innenraumluft-Messungen schwanken mit Nutzung, Belüftung, Jahreszeit

In einem zweiten Vorhaben untersuchte ein Forschungsverbund aus Thünen-Institut und Fraunhofer-Institut für Holzforschung – Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) anhand von Ergebnissen einer Baustoffprüfung die VOC-Konzentration im Raum unter dem Einfluss von Umgebungsparametern wie Luftfeuchte und Temperatur. Die Messungen erfolgten über zwei Jahre in vier vergleichbaren Modellbauten mit verschiedenen Wandkonstruktionen und Materialkombinationen. Im Ergebnis zeigte sich, dass die alleinige Betrachtung der Produktemissionen keine hinreichende Aussage zur sicheren Verwendbarkeit der Materialien im Innenraum zulässt. Vielmehr muss die VOC-Konzentration im Gebäude durch Innenraummessungen unter realistischen Nutzungsbedingungen bewertet werden, weil u. a. Temperaturen und Luftwechselrate einen deutlichen Einfluss auf Höhe und Zusammensetzung der VOC-Konzentration haben können.

Weitere Forschungsprojekte widmeten sich Identifikation und Verminderung geruchsrelevanter Stoffe von Bauprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen für Anwendungen im Innenraum und dem Emissionsverhalten sehr leicht flüchtiger Verbindungen (VVOC) aus Holz und Holzwerkstoffen.

 

Hintergrund

Um die Komplexität der VOC-Thematik besser verstehen und wissenschaftlich belastbare Aussagen treffen zu können, förderte das BMEL über die FNR eine Reihe von Forschungsprojekten mit dem Schwerpunkt Reduzierung bzw. Vermeidung von Emissionen aus Holz und Holzprodukten.

Der Anteil flüchtiger organischer Verbindungen in der Raumluft – darunter z. B. Blumenduft oder Gerüche von Reinigungsmitteln – liegt im Schnitt bei 1,2 Prozent. Von diesem Prozentsatz entfällt etwa ein Sechstel auf natürliche Emissionen aus Holz und Holzwerkstoffen.

Die FNR ist seit 1993 als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv. Sie unterstützt zudem Forschungsthemen in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und innovative Holzverwendung.

 

Weitere Informationen

FNR-Broschüre "Wohnen und Leben mit Holz – Einfluss von Holzemissionen auf die Wohngesundheit"

Regelungen zu VOC – Wo geht die Reise hin? (Holzhandels-Informationen 11/2021, PDF)

 

zel


Foto: © bg-fotolia-20053840

Foto: © bg-fotolia-20053840