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Die Tegernseer Gebräuche leben! – Landgericht urteilt pro Holzhändler

09.09.2020rss_feed

Die Tegernseer Gebräuche leben! – Landgericht urteilt pro Holzhändler

Holzhändler gewinnt Prozess vor Landgericht alleine durch Anwendung der Tegernseer Gebräuche (TG) – Verstöße gegen die Schriftform der Mängelrüge und das Verfügungsverbot (Weiterverarbeitung) führten zum Erfolg für den Holzhändler.

 


Der Fall

Ein gewerblicher Kunde kaufte bei einem Holzhändler Verlegeplatten und Sperrholzplatten in einer bestimmten, in der Auftragsbestätigung des Holzhändlers explizit genannten Abmessungen.

Nach der Anlieferung stellte der Kunde fest, dass ein hoher Anteil der gelieferten Platten nicht die geforderte Stärke hatte, sondern etwas dünner war; bei vielen Platten stimmte außerdem die Länge und Breite der Platten angeblich nicht.

In einem – allerdings streitigen angeblichen – Telefonat will der Kunde den Holzhändler informiert haben, dass die Platten nicht die geforderte Stärke und nicht die geforderten Dimensionen hätten und dass er nun die Platten sortieren werde, um diejenigen Platten herauszusuchen, die vertragsgemäß seien und von ihm verwendet werden könnten. Dies hätte der Holzhändler erlaubt.

Bei den anderen Platten – diese waren angeblich zu groß – würde er dann auf Kosten des Holzhändlers einen korrekten Zuschnitt nachholen.

Außerdem würde er den Holzhändler mit denjenigen Mehrkosten belasten, die infolge der zu geringen Stärke der Platten entstünden; hier waren offenbar – dies behauptete jedenfalls der Kunde – Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, die Zeit und Geld gekostet hätten.

Der Kunde bezahlte die Platten dann nur zu einem geringen Teil und ließ den Restkaufpreis offen.

Nachdem der Kunde auf zahlreiche Mahnungen des Holzhändlers nicht reagiert hatte, wurde er mittels Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts angeschrieben und unter Erläuterung der Rechtslage zu den Tegernseer Gebräuchen zur Zahlung aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht. Stattdessen gab der Rechtsanwalt des Kunden eine Stellungnahme ab, in der dann in Briefform nochmals gerügt wurde.

 

Das Gerichtsverfahren

In der Klage vor dem Landgericht verteidigte sich der Kunde erwartungsgemäß mit dem Argument, dass die Platten zu dünn und zu groß gewesen seien und der Kunde deshalb erhebliche Mehrkosten für den nachträglichen Zuschnitt und Ausgleichsmaßnahmen bei der Verarbeitung der zu dünnen Platten gehabt hätte; diese seien so hoch gewesen, dass nach Aufrechnung gegen den Kaufpreis nur noch ein sehr geringer Restpreis zu zahlen gewesen wäre (es wurden von ca. 30 000 € nur noch 2 000 € gezahlt).

Zur wahrscheinlich großen Überraschung des Kunden und auch des Rechtsanwalts des Kunden interessierte sich das Landgericht aber überhaupt nicht für die Mangelargumentation des Kunden.

Das Landgericht argumentierte daraufhin (nachdem es auf die Tegernseer Gebräuche hingewiesen wurde), dass es auf solche Mängel gar nicht mehr ankomme. Man könne in dem Verfahren sogar unterstellen, dass alle Behauptungen des Kunden zu 100 % richtig wären und dennoch müsste das Landgericht der Zahlungsklage des Holzhändlers stattgeben.

Das Landgericht erläuterte in seinem Urteil, dass die Tegernseer Gebräuche noch immer anzuwendender Handelsbrauch seien und diese auch nicht ausdrücklich in einen Vertrag einbezogen werden müssten. Auch wenn sie völlig unbekannt und völlig unerwähnt blieben, so würden sie dennoch als Handelsbrauch gelten und Anwendung finden.

Das Schriftformgebot der Tegernseer Gebräuche sei – so das Landgericht – eine zulässige Verschärfung der allgemeinen Regeln aus dem Handelsgesetzbuch zur Untersuchung und Rüge von Waren.

Gericht erwähnt laufende Neufeststellung der TG

Zur Freude des GD Holz wurde in diesem Verfahren auch auf die Bedeutung der derzeit laufenden Überarbeitungen der Gebräuche hingewiesen. Es wurde vom Gericht zwar anerkannt, dass der geschäftliche Kontakt zwischen Kaufleuten immer mehr auf elektronischer Ebene, insbesondere per E-Mail, abgehalten wird, die Schriftform aber bis zur Neufeststellung der Gebräuche Bestand hat. Dieser Aspekt ist bereits in dem veröffentlichten Entwurf zum 1. Teil der TG berücksichtigt. Das Urteil unterstrich jedenfalls die Kenntnis und Anwendung der TG und rechtfertigt den derzeit laufenden aufwändigen Prozess der Neufeststellung. Wir berichten zu diesem Fall und weiteren Aspekten zu den TG in der kommenden Ausgabe des Holzhandelsmagazins (Print, ca. Anfang November 2020)

 

Autoren: A. Sumowski (Rechtsanwalt), F. Zeller (GD Holz)